Die Gesellschaft für Buchforschung in Österreich

Die Gesellschaft für Buchforschung in Österreich ist die einzige Einrichtung in diesem Land, die sich mit Buchgeschichte befasst. Ihr Ziel ist es, die vertiefte Forschung zum Buchhandel in Österreich zu fördern, Studien auf diesem Gebiet zu koordinieren, und auf Defizite in der Buchgeschichtswissenschaft hinzuweisen. Der Schwerpunkt des Interesses umfasst das gesamte Gebiet der Habsburgermonarchie bis zum Jahr 1918 (in Österreich und den Nachfolgestaaten) sowie die Erste und Zweite Republik, von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Diese Vielzahl von Interessen umfasst auch eine Vielzahl von Aspekten, von Schriftstellern und Lesern, von der Buchproduktion bis zum Buchvertrieb, Druckern, Buchhändlern, Verlegern, Bibliotheken, Zensur usw. bis hin zu den eigentlichen Druckerzeugnissen selbst – Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Noten, Karten und Seekarten, Plakaten und so weiter. Die Gesellschaft versteht sich als Ansprechpartner für Wissenschaftler außerhalb Österreichs. Sie stellt bibliografische Informationen zur Verfügung und ist bereit, während eines Aufenthalts in Österreich Unterstützung zu leisten. Darüber hinaus ist sie an einer Zusammenarbeit mit ähnlichen Institutionen im Ausland interessiert.

Zweimal jährlich erscheint eine Zeitschrift („Mitteilungen“), die die Mitglieder in Form von Artikeln, Rezensionen, Berichten über Forschungsprojekte und Notizen über die Forschungen und Aktivitäten der Gesellschaft auf dem Laufenden hält.

Der vorläufige Vereinssitz bzw. die Kontaktadresse ist: A-1080 Wien, Lerchengasse 21/20. E-Mail: Sende eine E-Mail

Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt für reguläre Mitglieder 30 €, für Studierende 20 € und für Universitäten und Institutionen 36 €. Sponsoren ab 72 €.

Konto: Bank Austria, IBAN: AT72 1200 0006 0177 9408. BIC/SWIFT: BKAUATWW.

Johannes Frimmel: Nachruf auf Murray G. Hall

Am 4. September 2023 ist Murray G. Hall im Alter von 76 Jahren nach kurzem schwerem Leiden in Wien verstorben. Murray G. Hall war von 2002 bis 2022 Obmann unserer Gesellschaft und seit 1999 Herausgeber der Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung sowie der Reihe Buchforschung. Geboren wurde Hall in Winnipeg/Kanada, nach einem Studium der Germanistik in Kanada, Freiburg im Breisgau und Wien promovierte er 1975 in Wien zum Thema Tier und Tiermotivik im Prosawerk Robert Musils. Seit 1973 war Hall als Mitarbeiter der Musil-Edition von Adolf Frisé tätig. 1978 erschien im neugegründeten Löcker Verlag sein Buch Der Fall Bettauer, durch das ein andauerndes Interesse an dem ermordeten Romanautor und Sexualreformer Hugo Bettauer geweckt wurde.

Cover Band 9

Seine 1985 erschienene zweibändige Österreichische Verlagsgeschichte 1918 bis 1938 wurde ebenso zu einem Standardwerk wie seine Geschichte des Zsolnay-Verlages (1994). Dass Murray G. Hall dabei auch die „Arisierungen“ in der Branche aufarbeitete, brachte ihm zahlreiche Anfeindungen ein. Durch seine Beschäftigung mit der Verlagsgeschichte der NS-Zeit lag es nahe, dass Murray G. Hall auch zu einem Pionier der Provenienzforschung wurde und ein FWF-Projekt leitete, das sich mit der Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek in der NS-Zeit befasste. Gemeinsam mit Christina Köstner verfasste er die umfassende Monographie „allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern...": Eine österreichische Institution in der NS-Zeit (2006). Ein nicht zuletzt für den Aufbau des Österreichischen Literaturarchivs zukunftsweisendes Werk war das gemeinsam mit Gerhard Renner verfasste Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren (1. Aufl. 1992, 2.erw. Aufl. 1995).

In den letzten Jahren galt Murray G. Halls besonderes Interesse der Geschichte der deutschsprachigen Verlage in Böhmen zwischen 1918 und 1945. Auch seine 2021 erschienene letzte Publikation Der Volk und Reich Verlag, Prag. Zur Geschichte des Buchhandels und Verlagswesens im Protektorat Böhmen und Mähren 1939–1945 widmete sich diesem kaum erforschten Thema.

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitete Murray G. Hall zunächst als freier und dann als festangestellter Mitarbeiter bei Radio Österreich International. Obwohl ihm eine Stelle am Institut für Germanistik der Wiener Universität verwehrt wurde, betreute er als sehr beliebter externer außerordentlicher Professor zahlreiche Dissertationen und Diplomarbeiten zum Thema Buchforschung. Seit seinem Ruhestand ist hier eine Forschungslücke entstanden, da sich für dieses Gebiet an der Wiener Germanistik offenbar niemand mehr zuständig fühlt.

Allzu häufig wird festgestellt, jemand sei unersetzbar. Doch bei Murray G. Hall ist diese Aussage berechtigt. Sein umfassendes Wissen über die österreichische Literatur- und Verlagsgeschichte des 20. Jahrhunderts, seine Quellenkenntnis und seine mit kritischem Verstand, beeindruckendem Fleiß und detektivischem Spürsinn durchgeführten, auf großer Erfahrung beruhenden Forschungen werden so schnell keine Nachfolge finden und der österreichischen Wissenschaft schmerzlich fehlen. Auch die Gesellschaft für Buchforschung in Österreich verdankt Murray G. Hall, ihrem unermüdlichen und ideenreichen Obmann, Autor und Herausgeber, unendlich viel. Zur für Herbst geplanten Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an ihn ist es nun nicht mehr gekommen. Doch Murray hat für immer einen Ehrenplatz in der Geschichte unserer Gesellschaft.

 

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